Erfahrungsbericht Singen mit Flüchtlingen
Seit Herbst 2015 veranstalten wir in Bückeburg – und inzwischen auch in Stadthagen und Rinteln – ein regelmäßiges internationales Singcafé. Eingeladen sind Flüchtlinge und Einheimische, Erwachsene und Kinder – also eigentlich alle.
Initiiert hat diese Projekte Magdalena Koller. Hier haben sich ihre guten Kontakte vor Ort bewährt. Offizieller Veranstalter und Träger ist die örtliche Musikschule. Über die Musikschule wurden Fördergelder des Programms „Kultur macht stark“ beantragt. Hierdurch ist bedingt, dass unsere primäre Zielgruppe Familien mit Kindern sind – letztlich sind aber auch alleinstehende Männer genauso willkommen.
Wer dann jeweils kommt, ist jedesmal ein Überraschung. Mal sind es vor allem alleinstehende Männer, dann vor allem Frauen mit ihren Kindern, mal hauptsächlich Syrer und Menschen aus Afghanistan, ein anderes Mal kommen schwerpunktmäßig Menschen aus dem Kosovo…
So müssen wir immer wieder unsere Konzepte und Liederlisten über den Haufen werfen, wenn wir uns z.B. auf viele Kinder eingestellt haben und es kommen hauptsächlich Erwachsene – oder umgekehrt. Eine gute Übung in Flexibilität! Das war zu Anfang manchmal anstrengend.
Die Treffen sind immer freitags von 16.00 – 18.00 Uhr. Zu erst hatten wir befürchtet, dass das mit dem muslimischen Freitagsgebet um 17.00 Uhr kollidiert. Scheinbar ist das aber kein Problem.
In Bückeburg sind wir im Familiengarten der Katholischen Gemeinde St. Marien zu Gast und können im Pfarrheim einen großen Raum (zum Singen) und einen Raum daneben (für die Teepause) nutzen. Zudem holt ein Mitglied aus dem Beirat des Familiengarten den Großteil der Flüchtlinge zu Fuß aus den nahe gelegenen Unterkünften ab. Dieses zuverlässige Engagement ist absolut wertvoll! Ansonsten werden die Termine im Pfarrbrief und in der örtlichen Presse veröffentlicht.
In Stadthagen kooperieren wir mit einem Kulturzentrum (Alte Poliziei). Die haben einen schönen Saal, der uns zur Verfügung steht. Es laufen dort auch Deutschkurse etc. Dadurch erfahren die Flüchtlinge von unserem Angebot. Außerdem ist vorteilhaft, dass die Leitung des Kulturzentrums einen guten Kontakt zur Presse hat und es hier schon einige Artikel gegeben hat.
In Rinteln gehen wir in eine Schule, in der die Flüchtlinge leben. Das ist ein bisschen improvisiert aber die Atmosphäre ist gut und warmherzig. Zu der Sozialarbeiterin vor Ort haben wir einen guten Draht.
Wir haben das Glück, dass wir ein großes Team sind: Magdalena Koller und ich übernehmen die musikalische Leitung. Susan Weckwerth, eine Tanzleiterin, leitet Tänze mit Kindern und Erwachsenen an und sorgt für eine schöne Mitte. Eberhard Girr spielt – genauso wie ich – Gitarre und ist für die Technik verantwortlich (Gitarrenverstärker, Mikrofone + Verstärker, Lautsprecher). Sehr hilfreich ist natürlich, dass wir im Team sowohl Frauen, als auch Männer sind.
Mal sind es 25 Besucher, mal 40, mal 70. Meist nutzen wir Mikrofon und Gitarrenverstärker. So richtig professionell wäre ein Headset. Dann hätte man noch beide Hände für Bewegungen frei.
Wir leiten die Gruppe auf deutsch und englisch an – die Liedtexte sprechen wir langsam mit vielen Wiederholungen und bringen möglichst passende Bilder oder Gegenstände mit, die die Bedeutung darstellen. Meist sind Teilnehmer da, die übersetzen können (i.d.R. auf arabisch und/oder Farsi/persisch)
Als Anfangslied singen wir immer „Binamo“ – ein einfaches und rhythmisches, afrikanisches Willkommenslied.
Die Kinder lieben „Ich bin da, ich bin da, ich bin da. Das ist wahr, das ist wunderbar“. Dazu kann man wunderbar Gesten machen und klatschen. Dieses Lied hat sich zum Hit entwickelt!
Meist nach dem 2. Lied machen wir eine Runde, wo jeder seinen Vornamen nennt und das Land, aus dem er stammt. Danach singen wir oft „Er hat die ganze Welt in seiner Hand / He’s got the whole world in his hand“ und setzten dann nach und nach alle Länder ein: „Er hat Syrien in seiner Hand…“ Das kommt sehr gut an.
In der ersten Hälfte singen wir vor allem eher Kinderlieder – je nach Jahreszeit, zu denen man anschauliche und erklärende Bewegungen machen kann:
– Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da. (mit Äpfeln und Nüssen zur Veranschaulichung der Liedstrophen)
– Schneeflöckchen Weißröckchen
– Was müssen das für Bäume sein, wo die großen Elefanten spazieren geh’n..
– Trip Trap, stapft der dicke Bär durchs Gras (mit Bär und Maus als Stofftier)
– Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder (dazu Bilder mit den vier Jahreszeiten – verteilt auf vier Kinder, die das passende Jahreszeitenbild dann jeweils hochhalten)
– Epo i tai ta yeh
– Wir haben eine Ziehharmonika,
Meist holen wir die Kinder dann in die Mitte und tanzen dort mit Ihnen, machen mit ihnen eine kleine Choreographie oder machen passende Bewegungen vom Platz aus. Zur Auflockerung gibt es zwischendurch Lieder von CD mit ganz einfachen Kreistänzen/Bewegungen dazu.
Manchmal passen auch Lieder wie
– I’ve been travelling a day / Home is where my heart is (manchmal sehr berührend)
– We shall overcome
– This little light of mine
– Jeder Teil dieser Erde ist meinen Volk heilig
– Viel Glück und viel Segen
Nach einer Stunde machen wir für ca. 20 Min. Tee-, Kaffee-, Keks- und Begegnungspause. Wir haben den Luxus, dass die Träger der Veranstaltungsorte (kath. Kirchengemeinde, Kulturzentrum, Flüchtlingsunterkunft) das organisieren. Für die Kinder gibt es in der Pause häufig ein Bastel- oder Malangebot.
Nachdem im ersten Teil – vor der Pause- die Kinder im Mittelpunkt standen, geht es nun vornehmlich um die Erwachsenen. Die Kinder basteln oft noch weiter.
Das Highlight nach der Pause sind meist Beiträge der Teilnehmer. Z.B. singen sie allein oder zu zweit ein arabisches Lied aus der Heimat vor. Zuerst gibt es oft ein Scheu, hierzu das Mikrofon zu nehmen. Aber dann entwickelt sich daraus eine gute und schöne Erfahrung – sowohl für die Vorsingenden als auch die Lauschenden. Manchmal kann man den Refrain mitsingen.
Es kommt auch vor, dass einige Männer zu Klängen aus dem Smartphone, das jemand ans Mikro hält, tanzen. Toll ist auch, wenn ein Kind/Jugendlicher sich traut, etwas vorzusingen.
Für diese selbst eingebrachten Beiträge müssen die Besucher auftauen. Oft braucht es gutes Zureden und Ermutigung.
Um nach der Pause noch gemeinsam weiterzusingen, braucht es Lieder mit Schwung und Rhythmus.
Z.B.
– La illa ill ‚allah (Version von Ali Schmidt)
– Obstsalat
– Sana Sananina
Zum Schluss gibt es einen Zählreim, den wir ganz langsam – Stück für Stück und mit mehreren Wiederholungen – durchzählen (mit Fingern dazu):
„Eins, zwei, drei – vorbei.
Vier, fünf, sechs, sieben – tschüß ihr Lieben.
Acht, neun, zehn – komm, wir geh’n.“
Dann kommt als gemeinsames Abschlusslied:
„Salam aleikum, aleikum asalam“ mit mehreren Sprachen („Friede sei mit dir“, „Peace be with you“) und in einer rhythmischen, dynamischen Variante. Ein sehr schönes Lied – gleichzeitig innig-gefühlvoll und mit Schwung.
Zum Gehen singt das Team manchmal noch weiter:
„Wir sagen auf Wiederseh’n. Das singen mit euch war schön.
Wir sagen auf Wiederseh’n. Tschüß bis zum nächsten Mal. Und darauf freuen wir uns sehr.“
(T: Magdalena Koller, M.: Melodie von „Epo I Taita“)
Mitschnitte der einzelnen Lieder sind in Vorbereitung.
Unsere Absicht ist, einen Raum für friedvolle und warmherzige Begegnung zu schaffen. Das ist durch die Sprachbarriere nicht immer einfach. Aber die Musik baut wunderschöne Brücken. Wir wollen in Zukunft mehr mit Spiralen u.ä. experimentieren, in denen alle Teilnehmer an den Händen gefasst aneinander vorbeigehen und sich so gegenseitig z.B. „Salam aleikum“ zusingen.